Zukunft der Bildungspolitik (26. JuliA-Landeskongress)

Aus Beschlusssammlung der JuliA Sachsen
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Bildungspolitik im 3. Jahrtausend – mehr Chancen für die sächsische Jugend

Einleitung

Zu Beginn des dritten Jahrtausends stehen wir vor großen Herausforderungen. Die entstehende Wissensgesellschaft und durch die Globalisierung verstärkter Wettbewerbsdruck stellen große Anforderungen an die einzelnen Menschen. Gerade junge Menschen benötigen eine ganze Reihe neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten, um in einer sich rasant verändernden Umwelt gesteckte Ziele erreichen, sich selbst verwirklichen zu können. Gleichzeitig fällt das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich zunehmend zurück. Neuere Studien haben gezeigt: methodische, fachliche und soziale Kompetenzen sind bei Schülerinnen und Schülern unzureichend herausgebildet, Kompetenzen, die sich auf die lnformationsgesellschaft beziehen, werden häufig überhaupt nicht gefördert. Wer jedoch wirtschaftlich seine Führungsposition bewahren möchte, darf in der Bildung nicht mit dem Mittelfeld vorlieb nehmen. Darum muss das deutsche Bildungssystem effektiver und flexibler werden.

Leistung differenziert fördern

„Bildung ist Bürgerrecht“, mit diesem vielzitierten Ausspruch begründete Ralf Dahrendorf das Recht eines jeden Bürgers darauf, seiner eigenen Begabung gemäß ausgebildet zu werden. Menschen haben jedoch unterschiedliche Begabungen und Neigungen und müssen dementsprechend auch unterschiedlich gefördert und gefordert werden. Dies schließt die gezielte Förderung von Eliten mit ein; Eliten auszubilden ist heute kein Luxus, Luxus hingegen ist es, dies nicht zu tun.

Um der Verschiedenheit junger Menschen gerecht zu werden, muss auch das Bildungssystem frühestmöglich differenziert ausgestaltet werden.

Wir fordern ein dreigliedriges Schulsystem ab der Klassenstufe fünf. Darüber hinaus soll die Durchlässigkeit und Übergangsmöglichkeit gewährleistet sein. Wo dies aus organisatorischen Gründen geboten erscheint, können auch verschiedene Gliederungen räumlich zusammengelegt werden, solange nach Gliederungen getrennt unterrichtet wird (kooperative Zusammenlegung).

Eine gemeinsame Unterrichtung von Schülern unterschiedlicher Gliederungen (integrative Zusammenlegung) soll nur dort möglich sein, wo dadurch ein zusätzliches Angebot geschaffen wird.

„Pädagogisches Unternehmen“

„Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“ (Art. 7 (1) GG). Jedoch wird ein Bildungssystem in „staatlicher Hand letzten Endes zu einer Einrichtung, in der die ‚Konsumenten‘ nichts kaufen, die ‚Produzenten‘ nichts verkaufen und die ‚Eigentümer‘ nichts beaufsichtigen“. (James Buchanan).

Es waren Liberale, die im 18. Jahrhundert in der Absicht, den konfessionellen Einfluss aus dem Bildungswesen zurückzudrängen, das staatliche Schulsystem nahezu so geschaffen haben, wie es noch heute besteht. Jedoch haben sich seitdem die Bedingungen stark verändert, die konfessionellen Einflüsse sind kaum mehr vorhanden, von einer Bedrohung kann nicht mehr gesprochen werden. Es sind heute andere Herausforderungen, die sich an das Bildungssystem stellen:

Die sich entwickelnde lnformationsgesellschaft erhebt Wissen und Kompetenzen zu unseren bedeutendsten Ressourcen, gleichzeitig verhindern engere finanzielle Spielräume des Staates eine dementsprechend starke Ausdehnung des Bildungsbudgets. Gelöst werden kann dieses Dilemma nur mit einer Erhöhung der Effizienz schulischer Bildung.

Ein solcher Wechsel der Voraussetzungen fordert einen klaren Paradigmenwechsel in der Schulpolitik. Der Staat darf sich nicht weiter als Anbieter von Bildung verstehen, er muss die ihm grundgesetzlich vorgeschriebene Aufsichtsfunktion übernehmen. Nicht der Staat, sondern „pädagogische Unternehmen“ sollen als vollständig autonome Einrichtungen Bildung anbieten. Der Freistaat Sachsen übernimmt seine Aufsichtsfunktion, indem er Rahmenregelungen für einen fairen Wettbewerb setzt, qualitative Mindeststandards formuliert und die Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse sichert.

Der Staat trägt zudem dafür Sorge, eine Grundfinanzierung von privaten und öffentlichen Schulen sicherzustellen, die zusammen mit den Erlösen des Bildungsgutscheinsystems die Basisfinanzierung der Schulen ermöglicht. Der „pädagogische Unternehmer“ ist hingegen finanziell, bei der Personalauswahl und bei der Wahl pädagogischer und didaktischer Methoden autonom.

Um ein geschlossenes Netz an Schulen zu gewährleisten, kann es stellenweise notwendig sein, dass der Freistaat resp. die Kommunen selbst als Träger von Schulen fungieren. Auch in diesem Fall sollen sie sich auf die Aufsichtsfunktion beschränken, z.B. nach dem Vorbild der Trennung von Aufsicht und Geschäftsführung bei Kapitalgesellschaften.

„Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“

Staat und Kommunen führen ihre Schulen heute nach dem Prinzip von Einheitlichkeit von Leitung und Anweisung, also nach einem Grundsatz, der für rein hoheitliche Verwaltungsaufgaben entwickelt worden ist, nicht aber für einen Leistungsprozess wie Bildung, der völlig andere Bedingungen erfordert, vor allem ein hohes Maß an Freiraum und Verantwortlichkeit für eigenes Handeln. Dies behindert die lnnovationskraft des Bildungssystems und konserviert die bisherigen Methoden, Ziele und Inhalte.

Welche Kompetenzen wir jedoch in Zukunft benötigen werden, welches Wissen von Bedeutung ist und wie Kompetenzen und Wissen am besten vermittelt werden, muss ständig neu bestimmt werden. Staatliche Vorgaben sind hier zu langsam, ein kreativer Wettbewerb der Ideen eröffnet neue Wege und Chancen. Dazu brauchen Schulen als „pädagogische Unternehmen“ Freiräume, einmal bezüglich der angewandten Methoden, aber auch die Inhalte und Ziele von Bildung betreffend.

Um die Vergleichbarkeit der Leistungen und Unterrichtsbedingungen sowie einen fairen Wettbewerb zwischen den Institutionen herzustellen, müssen diese einen jährlichen Bericht veröffentlichen. Dieser Bericht soll neben der kaufmännischen Rechnungslegung die personelle und sächliche Ausstattung der Schule, Schüler-Lehrer-Relation, Fehlzeiten von Schülern, Stundenausfallzeiten, Abbrecher-, Wiederholer- und Übergangsquoten zu fortführenden Schulen und Hochschulen, inhaltliche Schwerpunkte und Methoden, besondere Leistungen und Dienste etc. zum Inhalt haben. Darüber hinaus steht es den Schulen natürlich auch frei, für sich zu werben.

Ein „Pädagogischer Dienst“ des Freistaates erhält den Auftrag, Unterricht und Schule zu evaluieren und seine Ergebnisse zu veröffentlichen. Er gibt jedoch nur öffentliche Empfehlungen und hat keine weitergehenden Kompetenzen.

Finanzierung von Bildung

Wenn Bildung Bürgerrecht ist, dann muss Bildung auch staatlich subventioniert werden, denn die Bildung ihrer Bürger ist die Grundlage einer jeden funktionierenden Demokratie. Daher lehnen wir Schulgebühren im bisherigen staatlichen Schulsystem kategorisch ab.

Jedoch führt eine angebotsorientierte Subventionierung, wie sie bisher praktiziert wird, nicht zu den gewünschten sozialen Ergebnissen, sondern zu lneffizienz und Missbrauch. Wir fordern eine Umstellung der staatlichen Bildungsinvestitionen von der Angebots- zur Nachfrageorientierung. Das Instrument hierzu ist der „Bildungsgutschein“: Der Schüler erhält einen „Bildungsgutschein“ auf seinen Namen ausgestellt, der zum Besuch einer allgemeinbildenden Schule bis zu einer Dauer von zwölf Schuljahren, zuzüglich zwei Wiederholungsjahren berechtigt. Dieser ist nicht übertragbar, er kann, muss jedoch nicht von dem einzelnen Schüler komplett aufgebraucht werden. Die Schule löst den Bildungsgutschein, den sie von dem Schüler erhält, ein und bekommen dafür einen festgesetzten, jährlichen Betrag ausgezahlt.

Sie erhält öffentliche Gelder neben einem niedrigen Grundbudget hauptsächlich über Bildungsgutscheine. Darüber hinaus steht es ihr zu, weitere finanzielle Quellen zu nutzen, z.B. über Werbung und Sponsoring. Jedoch lehnen wir Werbung in Grundschulen ab.

Auslagerung der Bildungsfinanzierung in eine öffentliche Bank Bei der Bereitstellung finanzieller Mittel stehen die einzelnen Minister mit den anderen Ressorts in Konkurrenz (Budgetkonkurrenz). Wird die Finanzierung im Bildungsbereich umgestellt, so verliert der zuständige Minister seine Detailinformationen und läuft Gefahr, bei den Haushaltsverhandlungen argumentativ ins Hintertreffen zu geraten. Daher sollen Kosten pro Schüler vorgewiesen und auf längere Sicht die Finanzierung von Bildungsinvestitionen als Kreditvergabe betrachtet werden. Hiermit wird eine öffentliche Bank beauftragt, die über Bildungsrenditenrechnungen die Amortisation und den Rückfluss belegt.

Nicht nur Ausbildung, sondern auch Persönlichkeitsentwicklung

Schule hat nicht nur die Aufgabe der Ausbildung, sondern auch die der Erziehung, der Wertevermittlung. Sie soll nicht nur auf den Beruf vorbereiten, sondern auch Hilfestellung bieten bei der Persönlichkeitsentwicklung. Der Schüler soll die Möglichkeit erhalten, eine eigene individuelle Persönlichkeit herauszubilden, eigene Werte zu finden. Die Bestimmung von Werten, auf denen dieser Prozess basiert, steht jedoch alleinig den Eltern, später dann dem Schüler zu. Der Staat hat nur in Ausnahmefällen das Recht zu intervenieren. Nur wo ein latentes öffentliches, jedoch kein ökonomisches Interesse an der Vermittlung bestimmter Grundwerte und -kompetenzen wie Politikverständnis und Toleranz besteht, hat der Staat das Recht und die Pflicht, in die Definition von Bildungszielen und -inhalten einzugreifen. Er kann diese Interessen als staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag an die Schulen weitergeben, so sollte dieser z.B. Kenntnisse über politische Entscheidungsprozesse, bedeutende Religionen und philosophische Ansichten sowie Landeskunde und -geschichte enthalten. Die Bestimmung obligatorischer Inhalte und Ziele hat hierbei Vorrang vor detaillierten Fächer-Vorgaben.