Die Zeitenwende nicht verpennen – neue Sicherheitspolitik im 21.Jahrhundert

Aus Beschlusssammlung der JuliA Sachsen
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Präambel

Die Invasion Russlands in die Ukraine stellt ein beispielloses Verbrechen an der europäischen Friedensordnung dar, das auch von den Verstehern von Putins Regime (z.B. dem sächsischen Ministerpräsidenten) ein radikales Umdenken der Haltung gegenüber Russland einfordert. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg läutet eine Zeitenwende ein, die die multilaterale Ordnung souveräner Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Frage stellt und damit die Frei- heit auf der ganzen Welt bedroht. Gerade für uns Liberale ist das nicht hinnehmbar. Der Krieg in der Ukraine muss deshalb auch unser Handeln und unsere spezifischen Haltungen zu Fragen der Sicherheit, der Außenpolitik und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verändern. Denn nur so lassen sich unsere Werte jetzt und in Zukunft verteidigen.

I don’t need a ride…I need ammunition

Jede Schwächung der russischen Streitkräfte durch militärische Erfolge der ukrainischen Seite erhöht die Chancen auf ein schnelles Ende des Krieges und reduziert das Bedrohungspotential Russlands gegen Deutschland und Deutschlands Verbündete innerhalb der NATO. Der Ukraine in ihrem Freiheitskampf jede mögliche Unterstützung zu geben, ist daher nicht nur moralisch geboten, sondern auch im ureigensten sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands. Wir fordern deswegen die Aufhebung aller Exportbeschränkungen für die Lieferung von Waffen an die Ukraine für die restliche Dauer des Krieges sowie dar- über hinaus die zumindest vorläufige Übernahme der dabei entstehenden Kosten durch die Bundesrepublik nach dem Vorbild des US-amerikanischen Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act. Die Bestände der Bundeswehr sollen ziel- gerichtet nach Material durchsucht werden, dass der Ukraine zur Verfügung gestellt werden kann. Die langjährige Leitlinie deutscher Rüstungsexportpolitik, „keine Waffen in Kriegs- gebiete“ hat den moralischen Bankrott erlitten. Wer Staaten und Völkern, die sich in einem Verteidigungskampf gegen Unterdrückung befinden, die Unterstützung verweigert, fördert nicht den Frieden, sondern die Aggression. Die zukünftige Exportpolitik deutscher Rüstungsgüter muss die Rechnung tragen. Zusammen mit der freien Welt gegen Putins Krieg Putins Krieg ist nicht nur ein Angriff auf die Ukraine, sondern auf die gesamte seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstandene freiheitliche und friedliche Weltordnung. Er genießt dabei die Sympathie verbündeter Autokratien, insbesondere der Volksrepublik China. Dieser Aggression durch autoritäre Staaten muss sich eine Koalition aller demokratischen Länder entgegenstellen. Es ist die besondere Verantwortung des Liberalismus auch in Deutschland, den Gedanken eines Lebens in Freiheit auch nach außen mit unseren Verbündeten zu verteidigen. Die freie Welt muss nun noch stärker zusammenwachsen. Das schließt eine rasche Erweiterung der EU und NATO um bisherige Beitrittskandidaten ein. Den derzeit am stärksten von Russland bedrohten Staaten wie der Ukraine, Georgien oder Moldau soll eine Perspektive auf eine EU-Beitrittsperspektive oder eine verstärkte Partnerschaft im Bereich der Sicherheitspolitik angeboten werden. Wir unterstützen einen NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands. Die Russische Föderation und alle Beteiligten an der Orchestrierung und Durchführung des Angriffskriegs auf die Ukraine und der im Zuge dieses begangenen Kriegsverbrechens und Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen auf jeder denkbaren Ebene rechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Daher halten wir eine internationale und unabhängige Aufklärung der Kriegsverbrechen seitens der UN als unerlässlich. Das kann z.B. als ad-hoc Organisation ähnlich dem IStGHJ erfolgen. Angesichts der erschreckenden Meldungen aus der Ukraine über die Ausmaße der Verbrechen muss eine schnelle und präzise international Koordinierte Bestandsaufnahme erfolgen. Wir begrüßen es, dass die Ukraine auch ohne Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofes zu sein freiwillig dessen Zuständigkeit angerufen und damit den Weg für die Verursacher der in der Ukraine verübten Kriegsverbrechen nach Den Haag geebnet hat.

Kurswechsel der deutschen Sicherheitspolitik

Der Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine markiert auch eine Zäsur in der deutschen Verteidigungspolitik. Alte Gewissheiten gelten nicht mehr, die Zeit, in der die Bundesrepublik dank einer Friedensdividende Außen- und Sicherheitspolitik vernachlässigen konnte, ist vorbei. Viel zu spät, aber dennoch notwendig ist die Einsicht, dass die Ausstattung der Bundeswehr eine der Kernaufgaben des Staates ist. Das versprochene Sondervermögen von 100 Milliarden Euro muss deshalb schnellstmöglich eingesetzt und ebenso mit einer langen nötigen Re- form des Beschaffungswesens der Truppe verknüpft werden. Weiterhin sollen die Bundeswehr, das Bundesministerium der Verteidigung und sämtliche weiteren nachgeordneten wie zugehörigen Behörden und Dienstleister einer umfangreichen Prüfung unterzogen werden, um ineffiziente sowie Doppelstrukturen ausfindig zu machen. Die Bestrebungen zur Schaffung einer europäischen Armeemüssen verstärkt werden. Die Bundesregierung soll für Deutschland eine nationale Sicherheitsstrategie ausarbeiten, die Deutschlands Sicherheitsinteressen sowie die Ziele der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik formuliert. Die nationale Sicherheitsstrategie soll Planungs- und Handlungssicherheit für deutsche Sicherheitsakteure sowie die Verbündeten schaffen und die Ableitung konkreter Handlungsschritte ermöglichen. Innerhalb der Europäischen Union soll Deutschland sich für die Ausarbeitung einer europäischen Sicherheitsstrategie einsetzen. Des weiteren soll die Bundesrepublik Deutschland einen Nationalen Sicherheitsrat aufstellen, der Entscheidungskompetenzen bündelt, verschiedene Sicherheitsakteure zusammenführt und über die Nationale Sicherheitsstrategie wacht. Im Krisenfall soll der Nationale Sicherheitsrat als schnell verfügbares Beratungsgremium der Bundesregierung fungieren und die sicherheitspolitische Entscheidungsgeschwindigkeit erhöhen. Rufe nach Wiedereinführung der Wehrpflicht sind weder zweckmäßig, noch gerechtfertigt und lehnen wir deswegen entschieden ab. Stattdessen fordern wir eine Erweiterung der Angebote für freiwillige Reservedienst, insbesondere im Heimatschutz, durch Absenkung der Hürden (z.B. durch Aufteilung der Grundausbildung auf mehrere Abschnitte) und Ansprache zusätzlicher gesellschaftlicher Gruppen. Der Ukraine-Krieg hält all jenen, die insbesondere in Deutschland Forderungen nach einer Demilitarisierung unterstützen und Verständnis für das Handeln der russischen Regierung äußerten, den Spiegel vor. Wir setzen uns dafür ein, dass die Konsequenzen für die deutsche Politik, die sich aus dem Krieg mit der Ukraine ergeben, nicht wieder unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Pazifismus und Russlandverständnisses verloren gehen. Es bedarf einer ernsthaften Aufarbeitung der bisherigen deutschen Russlandpolitik und ihres letztendlichen Scheiterns. Für all jene, die die Geschehnisse in der Ukraine relativieren oder den Anschluss an Putins Russland suchen ist in der Mitte des demokratischen Diskurses kein Platz. In einer vernetzten Welt schließt Sicherheitspolitik auch Fragen der wirtschaftlichen Versorgung ein. Die Abhängigkeit von russischem Gas hat Deutschland in einen Interessenskonflikt gezwungen, der die wirksame Bekämpfung von Putins Regime lange verhinderte. Wir sprechen uns kurzfristig für ein Energieembargo für die russische Föderation aus. Langfristig muss Deutschland seine Abhängigkeit von den Ressourcen autoritärer Regime reduzieren.