Krankheit im Verborgenen: ME/CFS-Betroffenen eine Perspektive geben (72. JuliA-Landeskongress)

Aus Beschlusssammlung der JuliA Sachsen
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Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere, komplexe, chronische Multisystemerkrankung mit Dysregulation des Immunsystems, Nervensystems und Energiestoffwechsels. Das Krankheitsbild wird seit 1969 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Erkrankung des Nervensystems im ICD-Katalog unter der Position G93.3 erfasst. Die international geschätzte Prävalenz beträgt 0,3 Prozent. Weltweit sind etwa 17 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland litten bereits vor der Pandemie circa 300.000 Menschen, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche, unter ME/CFS. Das Haupterkrankungsalter liegt bei elf bis 40 Jahren, Frauen erkranken doppelt so häufig. ME/CFS ist somit insgesamt definitionsgemäß keine seltene Erkrankung, sondern tritt in Deutschland ebenso häufig auf wie Multiple Sklerose (MS).

Erste Studien zeigen zudem zentrale Überschneidungen von ME/CFS und Long-COVID nicht nur in den in den auftretenden Symptomen und zugrundeliegenden Mechanismen, sondern gehen auch davon aus, dass ein wesentlicher Teil der COVID-19-Erkrankten an ME/CFS leiden wird. Konservativen Schätzungen zufolge wird international infolge der COVID-19- Pandemie ein Anstieg der Zahl der Betroffenen um 10 Millionen erwartet. Basierend auf dieser Annahme wird die Zahl der Erkrankten in Deutschland von 300.000 auf etwa 400.000 Erwachsene, Kinder und Jugendliche ansteigen.

Die Junge Liberale Aktion Sachsen fordert die Sächsische Staatsregierung auf, die Aufklärung über das Krankheitsbild ME/CFS voranzutreiben und die Situation der Betroffenen durch folgende Maßnahmen zu verbessern:

  1. Hinwirken auf eine systematische Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie des pflegerischen Personals durch die Landesärztekammer entsprechend dem aktuellen Stand der Forschung, um Bewusstsein und Expertise im Umgang mit ME/CFS zu schaffen und die aktuell hohe Zeitspanne bis zum Erhalt der Diagnose zu senken sowie Fehldiagnosen zu vermeiden und veraltete Dogmen zu beseitigen.
  2. Aufsetzen einer niedrigschwelligen landesweiten Aufklärungs- und Informationskampagne über das Krankheitsbild ME/CFS und die Situation der Betroffene, um die Akzeptanz und das Verständnis zu verbessern. Durch fehlende Aufklärung von Politik, Ärzteschaft und Öffentlichkeit erfahren die Patienten leider oftmals eine erhebliche Stigmatisierung sowie mangelnde Anerkennung bei Krankenkassen, Versorgungsämtern, Rentenversicherungen, Schulen und Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Sozialdienstes und der Jugend- und Familienberatung.
  3. In Abstimmung mit den beteiligten Ressorts ist ein Leitfaden sowohl für die Sächsischen Schulämter als auch die Jugendämter zu erstellen, welcher Schulleitungen, Lehrkräften, Sozialarbeitern, Eltern, Schülerinnen und Schülern gezielte Information über die Erkrankung ME/CFS bereitstellt und Hilfestellungen bietet, wie sie sich im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit ME/CFS zu verhalten haben und wer ihnen beratend zur Seite stehen kann.
  4. Erstellung eines regional und fachlich gegliederten Verzeichnisses über Ärztinnen und Ärzte im vertragsärztlichen und im stationären Bereich mit spezifischer Expertise zu ME/CFS.
  5. Ausbau der Post-COVID-Ambulanz am UKL zu fachübergreifenden Anlaufstellen zur Diagnostik und Behandlung von an ME/CFS erkrankten Patientinnen und Patienten. Für das Beschwerdebild von ME/CFS, mit dem Kardinalsymptom der Post-Exertionellen Malaise (PEM), bieten bislang lediglich das Charité Fatigue Centrum (CFC) in Berlin und das MRI Chronische Fatigue Centrum (MCFC) in München gezielte Anlaufstellen, die neben ME/CFS- auch Long COVID-Patientinnen und Patienten für eine Erstdiagnose annehmen.

Intensivierung der Forschung zu den Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von ME/CFS sowie zu ME/CFS als Langzeitfolge von COVID-19 durch Kooperation mit den Landesregierungen in Thüringen und Sachsen-Anhalt bei der Umsetzung des Beschlusses des Thüringer Landtags vom 4. Juni 2021 (Drs.7/3492). Die Sächsische Staatsregierung muss sich bei der Einrichtung eines Mitteldeutschen Forschungszentrums kooperativ zeigen und benötigte Mittel bereitstellen.