Staatsregierung muss dem Landtag in der Krise Rechenschaft ablegen (69. JuliA-Landeskongress)

Aus Beschlusssammlung der JuliA Sachsen
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Die Jungliberale Aktion Sachsen beobachtet die Entwicklung des Corona-Infektionsgeschehens im Freistaat Sachsen mit großer Sorge. Sachsen hat inzwischen die mit Abstand höchste 7-Tage-Inzidenz aller ostdeutschen Flächenländer. Ein weiteren Anstieg der Infektionszahlen und der damit zwangsläufig verbundenen Hospitalisierungen und Todesfälle gefährdet nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung in Sachsen, sondern auch die ohnehin schon stark angeschlagene sächsische Wirtschaft.

Wir haben große Zweifel daran, dass das derzeitige Krisenmanagement der sächsischen Staatsregierung geeignet ist, die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zurückzugewinnen. Statt durchdachten und transparent begründeten Maßnahmen, beobachten wir Chaos bei der Meldung der Infektionszahlen infolge einer beginnende Überlastung der Gesundheitsämter und offensichtlichen Aktionismus mit Beherbergungsverboten oder Sperrstunden. Derartige Maßnahmen, die offenkundig ungeeignet und damit auch rechtlich fragwürdig sind, treffen in der Bevölkerung auf wenig Verständnis und beschädigen dadurch auch das Vertrauen in die Notwendigkeit besonderer Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie insgesamt.

Wir fordern den Ministerpräsidenten daher auf, unverzüglich dem Landtag gegenüber in einer Regierungserklärung darzulegen,

  • welche Maßnahmen die sächsische Staatsregierung über den Sommer getroffen hat, um auf einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen vorbereitet zu sein, insbesondere
    • wie und in welchem Ausmaß die Kontaktnachverfolgungskapazitäten der Gesundheitsämter ausgebaut wurden und
    • welche Szenarien für den weiteren Verlauf der Pandemie betrachtet wurden sowie welche Pläne darauf aufbauend entwickelt wurden;
  • auf welcher Entscheidungsgrundlage die Anpassungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung und anderer Verordnungen und Verfügungen im Zusammenhang mit Corona-Pandemie geschehen, insbesondere
    • welche Informationen die Staatsregierung über die häufigsten Ansteckungsorte hat bzw. was sie unternimmt, um diese Daten zu erheben;
  • welche weiteren Maßnahmen von der Staatsregierung in Betracht gezogen werden, für den Fall, dass die zuletzt getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, um das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle zu bekommen;
  • auf welcher Datengrundlage die Einstufung von Landkreisen als Risikogebiet geschieht, insbesondere unter dem Aspekt, dass die von den Landratsämtern öffentlich bekannt gegebenen Infektionszahlen in den letzten Tagen mehrfach von denen durch die Staatsregierung veröffentlichten Zahlen abgewichen sind;
  • nach welchen Kriterien entschieden wird, wer auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 getestet wird bzw. wer die Möglichkeit dazu bekommt;
  • welche Maßnahmen (z.B. Grenzkontrollen) an der deutsch-tschechischen Grenze ergriffen wurden, um Einschleppungen aus der Tschechischen Republik zu vermeiden bzw. warum diese Maßnahmen nicht ergriffen wurden, obwohl in unserem direkten Nachbarland eine der höchsten Ansteckungsraten in ganz Europa gezählt wurde;
  • wie Menschen mit berufsbedingt großer Zahl an Sozialkontakten, wie etwa Lehrer oder Pflegepersonal, davor geschützt werden, sich und andere zu infizieren;
  • unter welchen Umständen erneute Schulschließungen in Betracht kommen und was getan wird, damit dies nicht notwendig wird;
  • welche Maßnahmen getroffen wurden, um die Schulen in die Lage zu versetzen, auch bei ggf. notwendigen Schulschließungen einen adäquaten Unterricht, z.B. in Form von Online-Formaten, sicherzustellen;
  • wie Schülerinnen und Schüler geschützt werden, die einer Risikogruppe angehören und der Schulpflicht unterliegen, und ob angesichts wiederholter Ausbrüche an sächsischen Schulen eine temporäre Aussetzung der Schulpflicht in Betracht gezogen wird.

Darüber hinaus muss der sächsische Landtag in allen Entscheidungen weiter als bisher eingebunden werden. Das Reagieren auf die Pandemie durch in nicht-öffentlichen Sitzungen erarbeiteten Verordnungen und Allgemeinverfügungen hat sich als Fehler erwiesen und erodiert unsere Grundrechte und gewaltenteilige politische Willensbildung. Zur Bekämpfung der Pandemie sind staatliche Eingriffe in die Freiheit des Einzelnen in manchen Punkten erforderlich. Diese müssen aber immer notwendig, geeignet, verhältnismäßig und ausreichend parlamentarisch legitimiert sein. Deswegen fordern wir, dass die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung durch ein Sächsisches Corona-Schutz-Gesetz (entsprechend Art. 80 Abs. 4 GG) ersetzt wird, in welchem der Landtag konkretisiert, welche Maßnahmen die Staatsregierung zur Bekämpfung der Pandemie verordnen kann.